Schon mal Zitronenkuchen geraucht? Oder Ananas? Oder Cola? Kippenschachteln, Tabakbeutel, zugequalmte Kneipen und überquellende Aschenbecher, das war gestern. Westernhelden und Rockstars mit Kippe im Mundwinkel: nicht mehr cool. Aber kein Problem: Wenn die jungen Leute Rauchen so gar nicht „smash“ finden, setzt die Industrie eben auf elektrische Kippen als hippe Lifestyle-Accessoires. Vorbei die Zeiten, als diese noch wie Nerd-Spielzeuge aussahen – jetzt wabern fluffige Wölkchen mit süßen Aromen aus schlank designten Stiften über die Schulhöfe und durch die Bars und Diskotheken. Geschafft hat das neben „Geek Bar“, „Salt Switch“, „IVG Bar“ und „Kwig Plus“ vor allem „Elfbar“, eine chinesische Einweg-E-Zigarette, deren Form und knallige Farben an Textmarker erinnern. Elfbar ist die erfolgreichste Marke dieser sogenannten Einweg-Vapes, die in diesem Jahr die deutschen Kiosk- und Tankstellenregale eroberten.

Haben Sie nicht mitbekommen? Das liegt wohl daran, dass Elfbar hauptsächlich auf der Social-Media-Plattform Tiktok beworben wird. Junge Menschen zeigen dort stolz ihre Sammlung und halten Tüten voller leergevapter Stifte in die Kamera, auch der Vertrieb an Minderjährige läuft zum Teil unter der Hand über Tiktok. Youtuber wie Montana Black schwören vor ihrem Millionenpublikum auf Elfbar als Zigarettenersatz, Influencer berichten über neue Sorten und verpassen dem Ganzen ein halbironisches Gangster-Image. Rapper wie Haftbefehl und Gzuz bringen ihre eigenen Linien heraus, Yung Hurn hat der handschmeichelnden Shisha für die Jackentasche sogar einen Hip-Hop-Track gewidmet, hunderttausendfach geklickt: Rauch in der Luft, weil ich ein’ Elfbar hab’ / Bitte fuck mich nicht ab. Was so harmlos daherkommt, fuckt aber leider doch ganz schön ab – und zwar Mensch und Umwelt.

Süßigkeiten zum Rauchen

Die Wegwerf-Vapes funktionieren wie die meisten E-Zigaretten: Eine aromatisierte Flüssigkeit, das sogenannte Liquid, wird in einem Wattebausch mittels Heizspirale erhitzt, sodass es verdampft. Im Gegensatz zu verbreiteten modularen Lösungen sind bei Einwegmodellen die Bauteile wie das Mundstück nicht austauschbar, der Akku nicht aufladbar, und auch das Liquid lässt sich nicht nachfüllen. Nach 600 Zügen („Puffs“) hat so eine Elfbar also ausgedampft, das entspricht etwa zweieinhalb Zigarettenpackungen. Danach blinkt das Gerät und signalisiert damit: „Schmeiß mich weg!“ So landet der komplette Dampfstift, der sieben bis zehn Euro kostet, im Hausmüll oder in der Umwelt. Samt Lithium-Ionen-Akku, der kursierenden Youtube-Anleitungen zufolge theoretisch sogar aufladbar wäre (nicht nachmachen!). Zum Vergleich: Fünf Elfbars entsprechen dem Akku eines aktuellen iPhones. Und die wandern nach einmaligem Gebrauch wohl oft einfach in die Tonne statt zum Wertstoffhof. Entsorgungsbetriebe stellt das vor neue Herausforderungen, auch weil beschädigte Batterien gerne mal in Flammen aufgehen.

Süße Düfte und gezielte Werbung animieren vor allem junge Leute zum Vapen. Es gibt die bunten Stifte in „erstaunlichen Geschmacksrichtungen“, scheint sich ein Onlinehändler in seiner Beschreibung selbst zu wundern: darunter Blaubeerlimonade („Klassische fruchtige Aromen, die in perfekter Harmonie für einen köstlichen ganztägigen Vape zusammenarbeiten“), Red-Bull-Eis („Inspiriert von den leckeren Energydrinks“), Grüne Minze („Frisch gepflückte Krauseminze“), Traube („Frisch gepresste rote Trauben mit genau der richtigen Süße“), Sahne-Tabak und Pinke Limonade („Klassischer Partyfavorit“). Da kein kratziger Rauch vom tiefen Inhalieren abhält und die Elfbar stets einsatzbereit ist, gelangen Nikotin und andere Substanzen viel leichter in den Körper. Ältere erinnern sich: Genau aus diesem Grund wurden einst Mentholzigaretten verboten. Auch wer zur nikotinfreien Variante greift, atmet einen Chemiecocktail ein, darunter Glycerin, Propylenglykol und Formaldehyd – Stoffe, die laut Weltgesundheitsorganisation das Krebsrisiko erhöhen. Langzeitfolgen sind nocht nicht ausreichend erforscht.

Nebelmaschine von Big Tobacco

Der Trend nimmt Fahrt auf. Ein paar Zahlen: Während der Umsatz mit herkömmlichen Zigaretten stetig schrumpft – nur noch sechs Prozent der 12- bis 17-Jährigen rauchen, so wenig wie noch nie –, finden E-Zigaretten eine wachsende Kundschaft. In Deutschland hat der Vape-Markt 2022 rund 300 Millionen Euro eingenommen, 20 Millionen mehr als 2021. Laut Schätzungen des Lobbyverbandes für E-Zigaretten, dem Bündnis für Tabakfreien Genuss e.V. (BfTG), werden in Deutschland rund fünf Millionen Wegwerf-Vapes pro Monat verkauft, das entspricht einem Marktanetil von 40 Prozent bei den E-Zigaretten. Vaper sind oft minderjährig, hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) herausgefunden: Die Zahl der Jugendlichen, die mindestens schon einmal eine E-Zigarette probiert haben, stieg in den vergangenen zehn Jahren von 9 auf 13 Prozent. Bei den 18- bis 25-Jährigen stieg der Anteil von 18 auf 35 Prozent. Big Tobacco hat das längst erkannt: Hinter den großen E-Zigaretten-Marken und ihren schicken Läden stecken oft die alten Tabakkonzerne wie Philip Morris, Altria und Co, die sich so die Zigaretten- und Nikotinsüchtigen von morgen erziehen.

Hinter dem hippen Auftreten steckt also doch nur der alte, kalte Muff verrauchter Kneipen. Und auch den Marlboro-Mann gibt es noch: Nur sitzt der heute nicht mehr rauchend auf einem Pferd, sondern steht dampfend auf einem E-Scooter – und lässt eine bunte Spur aus leeren Elfbars zurück.

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