Liebe Leserinnen und Leser,

wenn man den einstmals viertgrößten See der Erde im Internet sucht, findet man nur mehr ein paar Pfützen: „Der Aralsee“, heißt es bei Wikipedia, „war ein großer, abflussloser Salzsee in Zentralasien. Durch lang andauernde Austrocknung zerfiel der See um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert in mehrere, erheblich kleinere Teile.“ Die Verlandung, man könnte auch sagen, Verwüstung des Aralsees gilt als „eine der größten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen“.

Zwei Flüsse speisten einst den See. Dann beschloss Josef Stalin, in den Wüsten Kasachstans und Usbekistans solle Baumwolle wachsen. Baumwolle aber ist durstig, sie braucht viel Wasser. Der Anfang vom Ende des Aralsees. Nun könnte man meinen, die Überreste dieses ehedem gewaltigen Binnenmeers befänden sich weit weg. Auch der stark schrumpfende Tschadsee liegt nicht gerade um die Ecke. Oder der Urmiasee im Iran. Oder der Poopó-See in Bolivien. Nie gehört?

Den Gardasee aber kennen wir alle.

„Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo man der globalen Wasserkrise entkommen kann“

Seit Monaten verfolgt halb Europa das Schicksal von Italiens größtem See. Sein Pegelstand ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht um diese Jahreszeit. Denn in den Alpen hat es im Winter erneut viel zu wenig geschneit. Dem Lago – und der gesamten Po-Ebene – fehlt Schmelzwasser. Auch wenn der Tourismusverband diese Woche Entwarnung gab: So dramatisch wie berichtet, sei die Lage nicht, weder Fährverkehr noch Badebetrieb seien beeinträchtigt und das Austrocknen des Sees stehe schon gar nicht bevor. Es bleibt der Eindruck, dass Wassermangel nicht länger ein Problem zentralasiatischer Steppen oder des „Globalen Südens“ ist.

„Uns beginnt zu dämmern, dass es keinen Ort auf der Welt gibt, wo man der globalen Wasserkrise entkommen kann“, sagt Maude Barlow im neuen Greenpeace Magazin, das heute die Kioske und Briefkästen erreicht. Die 75-jährige Kanadierin hat 2010 das Menschenrecht auf Wasser mit erstritten und erklärte mir im Interview für unsere Ausgabe „Bis zum letzten Tropfen“ unter anderem, warum nutzbares Süßwasser – so wie die Menschheit damit umspringt – eben doch endlich ist und warum Wasser in die öffentliche Hand gehört.

Während meine Kollegin Frauke Ladleif, unser Bildredakteur Peter Lindhorst und ich dieses Heft planten, wurde das Thema Wasser aktueller, als es uns lieb sein kann. Europa lernte das neue Wort „Winterdürre“, in Frankreich brachen offene Verteilungskonflikte um Grundwasser aus, in New York endete die Weltwasserkonferenz der Vereinten Nationen mit Hunderten freiwilligen Selbstverpflichtungen – und dann war da auch noch das katastrophale Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien.

„Diesem Fluss droht der Infarkt“

Unser Autor Bartholomäus Laffert und die Fotografin Sitara Thalia Ambrosio reisten nur Tage nach dem Beben in den Nordosten Syriens, um eine andere Krise zu recherchieren: Dieser Landstrich verdorrt. Und Schuld ist nicht allein die Klimakrise, sondern auch das Nachbarland Türkei. Ankara drosselt den Zufluss des Euphrat in die kurdische Region immer weiter. Laffert und Ambrosio beschreiben in ihrer Reportage, wie Wasser auch eine Waffe sein kann, nachzulesen in unserer neuen Ausgabe.

Außerdem erläutert die Juristin Susanne Schmeier Frauke Ladleif, wie das Ringen um die kostbarste aller Ressourcen sich im Moment auf die globale Sicherheitslage auswirkt. Wir stellen die bunt sprudelnden Ideen und Aktionen von Graswurzelbewegungen zur Wassergerechtigkeit vor und verweilen eine opulente Fotoreportage lang am Snake River in den USA, wo die eigentlich als ökologisch geltende Wasserkraft dem indigenen Leben im und am Fluss zu schaffen macht und Staudämme hoch umstritten sind. Ein Herzinfarkt drohe dem Fluss, sagt ein Vertreter des Stammes der Nez Perce. Hayley Austin, gebürtige Texanerin und heute Wahlhamburgerin, hat diese Geschichte nicht nur fotografiert, sondern auch viele Interviews mitgebracht.

Zu guter Letzt blicken wir auf Deutschlands einzige Metropole. Die Millionenstadt Berlin liegt ausgerechnet in jenem Teil des Landes, der zunehmend trockener wird. Fred Grimm hat die Zukunftsoptionen der Hauptstadt erkundet, während das Bundeskabinett Deutschlands erste nationale Wasserstrategie beriet.

Von Auenwald bis Wasserrecycling reichen mögliche Lösungen, die wir Ihnen wie gewohnt zum Schluss einschenken. Wie so oft bedarf es dafür nicht unbedingt teurer Technik. Die Natur könnte vieles selbst – und sogar am besten – in Ordnung bringen, wenn wir sie nur ließen.

Im Teil 2 der aktuellen Ausgabe beantworten wir, was das historische Abkommen der Weltnaturkonferenz vom Dezember für Deutschland bedeutet. Wir beleuchten die Lage der Olivenhaine in Italien, rechnen kurz durch, was Ihr Auto Sie (und die Allgemeinheit) WIRKLICH kostet und erkunden die obskuren Flugrouten von Fledermäusen, die ja bekanntlich eher Nachteulen sind.

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dem neuen Greenpeace Magazin, das Sie – falls Sie uns noch nicht abonnieren – im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel oder hier erstehen können.

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Herzliche Grüße aus der Redaktion!

Unterschrift

Katja Morgenthaler
Redakteurin