Bei einer Wahl der seltsamsten Geschöpfe des Planeten hätten Mondfische Chancen auf einen Spitzenplatz. Mehr als eine Tonne schwer und bis zu drei Meter lang werden sie, und auch in Form und Farbe gleichen sie Mühlsteinen, daher der lateinische Gattungsname Mola. Irgendwann im Laufe der Evolution ist ihnen die Schwanzflosse abhandengekommen, weshalb sie Vortrieb mithilfe großer Rücken- und Afterflossen erzeugen und ihr Schwimmstil etwas unbeholfen erscheint. Kurzum: Sportliche Höchstleistungen würde man nicht von ihnen erwarten.

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Nun aber berichtete die taiwanesische Biologin Ching-Tsun Chang im Wissenschaftsjournal „Scientific Reports“ von spektakulären Wanderungen des Südlichen Mondfischs Mola alexandrini. „Zufällig“ sei die Entdeckung gewesen, erklärt sie lachend im Videochat. „Eigentlich wollten wir mehr über ihre Wanderrouten zwischen Japan und der Ostküste von Taiwan erfahren.“ Deshalb stattete ihr Forschungsteam mithilfe von Fischern, die entsprechend präparierte Pfeile schleuderten, vier Exemplare mit Datenloggern aus. Ein ungewöhnliches Verhalten der Mondfische erleichterte den Harpunieren die Arbeit: Sie „sonnen“ sich oft zur Mittagszeit seitlich auf der Meeresoberfläche liegend, wobei unklar ist, ob sie auf diese Weise Hautparasiten bekämpfen oder sich einfach wärmen. Auf Englisch heißen sie wohl auch deshalb sun fish.

Die Geräte lösten sich nach einigen Monaten automatisch und sendeten die aufgezeichneten Daten an einen Satelliten – mit verblüffenden Ergebnissen: Nur zwei der besenderten Fische waren erwartungsgemäß Richtung Japan gewandert. Sie nutzten dabei nicht die Kuroshio-Strömung, die pazifische Entsprechung des Golfstroms, um energiesparend zu reisen, sondern suchten große Meereswirbel auf, sogenannte eddies, die Nahrung und warmes Wasser bieten.

Die anderen beiden Fische nahmen überraschend eine ganz andere Richtung: Sie schwammen entlang der Philippinen gen Süden, überquerten den Äquator, passierten Neuguinea, den Bismarck-Archipel und die Salomonen und legten dabei pro Tag im Schnitt mehr als dreißig Kilometer zurück. Ein Sender löste sich unweit der Marshallinseln, der andere vor der Küste von Neukaledonien – 6952 Kilometer vom Startpunkt entfernt. „Niemand hätte solche Wanderungen erwartet“, sagt Ching-Tsun Chang.

Wiederum zeigte sich, dass die Fische oft aktiv gegen Strömungen schwammen, also nicht zufällig, sondern mit Ziel unterwegs waren. „Wir wissen aber noch nicht, ob sie auf der Suche nach Nahrung in die südliche Hemisphäre wanderten oder um sich dort fortzupflanzen“, sagt die Forscherin. Solche Fragen wolle sie nun in ihrer Doktorarbeit klären, die sie auf Hawaii schreibt. Dafür analysiert sie die Nahrung der Mondfische, auf deren Speiseplan zum Beispiel Quallen und kleine Planktonkrebse stehen.

Wenn Ching-Tsun Chang über ihre Forschungsobjekte spricht, klingt Respekt durch. Auf die Frage, was sie gegenüber den Mondfischen empfinde, sagt sie: „Sie sind so chilled, ganz entspannt – kann man das so sagen? Sie nehmen einfach ihren Weg durch den Ozean und lassen sich von niemandem stören. Sie sind wirklich ganz frei.“