Emma Carroll grüßt im Videochat mit Kia ora. Auch der Name ihres Forschungsprogramms Tohor Voyages greift auf die Sprache der neuseeländischen Indigenen zurück, wohl auch aus Respekt gegenüber den Tieren, um die es geht. Mithilfe von Satellitentelemetrie und molekularbiologischen Methoden erforscht die Biologin von der Universität Auckland die Wanderungen des Südkapers, dessen englischer Name „Southern Right Whale“ noch aus Walfängerzeiten stammt: Die neugierigen und gemächlichen Riesen galten wie ihre nördlichen Verwandten als „richtige“ Wale, weil sie sich so einfach harpunieren ließen und aufgrund ihrer dicken Blubberschicht nach dem Tod an der Oberfläche trieben, was die Verarbeitung erleichterte.

Trotz ihres arglosen Charakters ist es aber nicht leicht, GPS-Sender an den bis zu 18 Meter langen und 80 Tonnen schweren Meeressäugern zu befestigen. Emma Carroll und ihr Team segeln dazu zu den unbewohnten Aucklandinseln, rund 450 Kilometer südlich von Neuseelands Hauptinseln, und wenn sie sich in den rauen Gewässern der abgelegenen Meeresregion per Schlauchboot den riesigen Tieren nähern, sehen sie mit ihren Überlebensanzügen und Schutzhelmen aus wie Greenpeace-Leute. „Wir müssen einen ganz bestimmten Bereich am Rücken treffen, damit der Sender die aufgezeichneten Daten beim Auftauchen gut übertragen kann“, erklärt Carroll.

Der Lohn der Strapazen sind spannende Erkenntnisse. Zuvor wusste man nicht, wo sich die Südkaper, die im Winter bei den Aucklandinseln ihre Jungen zur Welt bringen, den Rest des Jahres aufhalten. Walfänger hatten sie einst nördlich und östlich von Neuseeland gesichtet. Umso überraschter war Carroll, als die sechs 2020 besenderten Wale zielstrebig nach Westen schwammen. Einige Wochen lang hielten sie sich südlich von Australien auf, wo die meisten Sender bald aufhörten zu senden.

Ein Tier aber, von den Forschenden „Bill Wiremu“ getauft, sendete und sendete. Er schwamm fast die halben Strecke bis nach Afrika, ging dann auf Südkurs Richtung Antarktis und wanderte schließlich entlang der Eiskante wieder Richtung Neuseeland. Dabei legte er viele Zwischenstopps ein, offensichtlich fand er reichlich Nahrung in Form von Krill und Ruderfußkrebschen, die Südkaper mit ihren bis zu 2,8 Meter langen Barten aus dem Wasser sieben.

Als das Signal von Bills Sender verstummte, hatte er mehr als 15.000 Kilometer zurückgelegt. Die Flexibilität findet Emma Carroll ermutigend: „Offensichtlich suchen die Wale, wenn sie in einer Region nicht genug Beute finden, andere Meeresgebiete auf“, sagt sie. Das mache sie resilient, womöglich auch gegenüber Veränderungen durch die Meereserwärmung.

Eine Krise hat die Art bereits überstanden. Das Fett der „richtigen Wale“ diente jahrhundertlang als Lampenöl. Dessen Gewinnung war die Hauptmotivation für den Walfang – bis die Bestände erst der Nordkaper und Grönlandwale in der Arktis und schließlich auch der Südkaper zusammenbrachen. In den 1920er-Jahren waren rund um Neuseeland von einst rund 30.000 gerade einmal vierzig Exemplare geblieben. Doch seit 1935 steht die Art unter Schutz. Seitdem ist die neuseeländische Population wieder auf rund 2000 Tiere – von weltweit rund 8000 Exemplaren – angewachsen.