Für das, was sich da im Skagerrak abspielt, wählt Kim Aarestrup, Fischereiökologe an Dänemarks Tech nischer
Universität, einen gewagten Vergleich: „Es ist fast so, als sei Christus zurückgekehrt“, sagt er. „Jedenfalls für fischinteressierte Menschen.“ Der Rote Thun, auch Atlantischer Blau flossenthun oder Thunnus thynnus genannt, jener elegante Riese, der vor allem im Mittelmeer gejagt und für Mondpreise nach Japan verkauft wird, taucht seit einigen Jahren wieder in Nordund Ostsee auf. Dabei war die Art vor 15 Jahren weltweit so überfischt, dass der Kollaps drohte. Im Norden galt sie schon seit Anfang der 60erJahre als verschollen.

Aarestrup, der auch wandernde Lachse und Aale erforscht, organisierte kurzerhand ein ungewöhnliches Projekt: Jedes Jahr im Spätsommer fängt er nun vor Dänemarks Nordspitze mithilfe von Hochseeanglern Rote Thune. Die „big game anglers“ seien ideale Partner, sagt er, denn sie brächten Erfahrung und Equipment mit – und sie suchen das Abenteuer. „Alle bisher von mir besenderten Fische waren zwischen 2,09 und 2,88 Meter lang“, erzählt er. Kapitale Exemplare also.

Ist ein Thun am Haken, muss es schnell gehen. Die Angler übergeben ihn an einer Leine dem Besenderungsboot der Forschenden, die seine Fitness checken, ihn vermessen und an der Rückenflosse den PopupSender befestigen. Nach ein paar Minuten sind die Tiere wieder frei. Im Journal „Scientific Reports“ hat Aarestrup nun mit einem internationalen Team erste, verblüffende Ergebnisse über die im September 2017 besenderten Thune veröffentlicht – drei entpuppten sich als Fernwanderer, mit unterschiedlichen Zielen.

Alle durchquerten die nördliche Nordsee Richtung Atlantik. Der Fisch mit der Sendernummer 34861 wanderte weit nach Westen, der Sender löste sich im April des Folgejahres südlich von Neufundland. Die anderen beiden schwammen entlang der irischen Küste südwärts. Fisch 34840 machte einen Abstecher Richtung Madeira, Fisch 34859 wanderte durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer und erreichte im Juni 2018 Sardinien. Anschließend kehrten beide erstaunlich zielstrebig in den Norden zurück und erreichten im September 2018 erneut den Skagerrak.

Doch warum solche Anstregungen? Aarestrup vermutet, dass es mehrere Gründe gibt. Offenbar zahlen sich die 2007 verhängten strengeren Fangbeschränkungen der Thunfisch-Schutzkommis sion im Mittelmeer aus, auch wenn sie Meeresschutzorganisationen nicht weit genug gegangen waren. Zufällig überlebte zur gleichen Zeit viel Nachwuchs, sodass starke Jahrgänge entstanden. „Wächst ein Bestand, dehnt sich sein Verbreitungsgebiet aus“, erklärt Aarestrup, „das ist ganz normal.“ Hinzu kommt offenbar, dass im Skagerrak ein gutes Angebot fettreicher Beutefische wie Makrele, Hornhecht und Hering lockt. Als der Thun vor sechzig Jahren verschwand, hatte die industrielle Fischerei bereits viele Populationen dezimiert.

Aarestrup warnt davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, zumal bisher nur Tiere einzelner Jahrgänge in den Norden finden. Würden sie gejagt, wäre dieser Erfolg gefährdet. „Dass sie da draußen sind, ist ein Wert an sich.