Wegweiser

Gianluca Grimalda

„Ich möchte die Grenzen des Möglichen verschieben.“
Gianluca Grimalda

Ein Klimasoziologe will nicht fliegen

Gianluca Grimalda opfert viel für sein Ideal, möglichst wenig zu fliegen. Im Herbst 2023 spricht er im Dorf Hangan auf Papua-Neuguinea per Videoanruf mit seinem Arbeitgeber, dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Das setzt ein Ultimatum: Entweder der Forscher sitzt am nächsten Montag wieder in seinem Büro an der Förde – oder es würden Schritte zur Auflösung seines Vertrages eingeleitet. „Ich verstehe nicht, wie sie so harsch mit mir umgehen konnten“, sagt Grimalda. Schon auf dem Hinweg blieb er überwiegend am Boden. Für das IfW untersuchte er, wie sich die Klimakrise auf den sozialen Zusammenhalt auswirkt, führte Interviews in dreißig Dörfern. Ein Abenteuer: Er wurde ausgeraubt, erlebte einen Vulkanausbruch.

Der 52-Jährige wollte partout nicht zurückfliegen. „Seit zehn Jahren versuche ich, es möglichst zu vermeiden“, sagt er, „so möchte ich die Grenzen des Möglichen verschieben.“ Er beharrte darauf und wurde gefeuert, nach elf Jahren. Als Grimalda dagegen klagte, verlor er vor dem Arbeitsgericht – es gebe kein Recht auf klimafreundliches Reisen. Für ihn völlig unverständlich.

Die 27.000 Kilometer nach Deutschland reiste er per Bahn, Bus, Fähre und Frachtschiff – mit zehnmal weniger CO2-Emissionen als durchs Fliegen. Hin- und Rückflug hätten 14-mal mehr CO2 ausgestoßen als ein Mensch in Papua-Neuguinea in einem Jahr. Grimalda engagiert sich für die Klimabewegung Scientist Rebellion, blockierte einen Flughafen in Mailand, demonstrierte in der Autostadt in Wolfsburg. Durch sein Engagement hat er viel verloren: Job, Freundin, sogar sein Vater hat sich von ihm abgewandt, er bringe Schande über die Familie. Trotzdem würde der Italiener wieder genauso handeln. „Ich möchte Menschen inspirieren, sie ermutigen, möglichst viel in ihrem Leben zu ändern“, sagt er.

9400 Menschen unterstützten ihn bei einer Petition zur Rücknahme der Kündigung – erfolglos. Grimalda wohnt nun in Passau, hat ein Stipendium an der Uni. Am liebsten würde er in Papua-Neuguinea seine Forschung fortführen. Als freier Wissenschaftler, per Crowdfunding. Und natürlich ohne zu fliegen.

Gianluca Grimalda