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Tim Krahmer

"Es gibt einfach viel zu viel Zeug."
Tim Krahmer

Systemkritik mit dem Staubsauger

Für Tim Krahmer ist das Problem offensichtlich: „Es gibt einfach viel zu viel Zeug.“ Das störte den Industriedesigner schon, als er ein Thema für seine Abschlussarbeit an der schwedischen Universität Lund suchte. Etwas mit gebrauchten Haushaltsgeräten sollte es sein, denn die landen oft im Müll, obwohl mindestens einzelne Bauteile noch intakt sind. „Wir verstehen nicht mehr, wie die Geräte funktionieren, die wir täglich benutzen“, sagt der Hamburger. Besonders missverstanden scheinen Staubsauger. Die entdeckt der Tüftler auch dort, wo sie gar nicht hingehören: „Die liegen sogar im Wald herum.“ Alle sieben ausrangierten Modelle, die der 36-Jährige für sein Projekt zerlegte, hatten einen noch intakten Motor. 500 Stunden lang muss dieser laut der europäischen Ökodesign-Richtlinie mindestens laufen; in der Regel schafft er viel mehr. Oft ist bloß der Filter verstopft.

Krahmer fand heraus, dass die Motoren und Schläuche fast aller Kabelstaubsauger mit ein paar Adaptern beliebig kombinierbar sind. Schließlich schraubte er ein Modell aus alten Teilen und einem Gehäuse aus Holz zusammen, bei dem alles austauschbar ist. Mit seinem „Tenok“ gewann er den Silberstreifen-Award für nachhaltige Projekte in Hamburg.

Die Revolution in der Staubsaugerbranche? Trotz Anleitung im Netz würde es ihn nicht wundern, wenn niemand seinen Sauger nachbaut. Dafür sei es zu bequem und zu billig, neu zu kaufen. Hersteller bringen stetig neue Modelle auf dem Markt, während Trödelplattformen im Internet voll von funktionstüchtigen Haushaltsgeräten sind, die keiner mehr haben will. Tim Krahmers Tenok soll ein Zeichen setzen. „Design for debate“ nennt er das, „Design als Debattenanstoß“.

Am liebsten würde Krahmer den ganzen Tag Dinge reparieren und witzige Videos darüber drehen. Auf seinem Youtube-Kanal ist zu sehen, wie er ein Fernlenk-Spielzeugauto zu einem Mars-Rover umrüstet, sich eine E-Gitarre fräst oder Wandleuchten in Form eines Baumpilzes baut. Um davon leben zu können, sei er aber nicht lustig genug – sagt er selbst. Deshalb verdient er sein Geld in einer Agentur, in der er Alltagsgegenstände und Maschinen für Hersteller entwirft und dabei für Design eintritt, das nicht nur nachhaltig aussieht.

Tim Krahmer