Wir haben prominente Menschen gefragt, was die Klimakrise und das Artensterben in ihnen auslösen. Wir wollten wissen, was ihnen Angst macht, was ihnen Hoffnung schenkt und welche Bedeutung die Natur für sie hat. Im Greenpeace Magazin 1.24 widmen wir uns den Emotionen, welche die Krise der Natur in vielen von uns hervorruft. Hier geht es zu weiteren Prominenten, die von ihren Umweltgefühlen erzählen.

© Marvin Ruppert © Marvin Ruppert

Leon Windscheid, 34, Psychologe und Autor, 
aktuell mit dem Bühnenprogramm „Gute Gefühle“ unterwegs

„Ich merke, dass bei all den Krisen, die es auf diesem Planeten gerade auszuhalten gibt – wie Krieg, Inflation oder die Pandemie, die ganz vielen Leuten bestimmt noch in den Knochen steckt, – die Klimakatastrophe immer wieder diejenige ist, die alles andere überlagert. Damit meine ich nicht, dass das eine schlimmer ist, als das andere, sondern dass ich das Gefühl habe, dass in absehbarer Zeit alles verloren ist, wenn wir uns nicht um das Klima kümmern und es in den Griff bekommen.

Dadurch nimmt die Klimakrise einen ganz großen Raum in meinem Kopf ein. Das ist psychologisch deswegen spannend, weil wir aus der psychologischen Wissenschaft natürlich wissen, dass ein Mensch, um im Alltag klarzukommen, nicht die ganze Zeit im Krisenmodus sein kann und sich auch nicht ausschließlich mit Untergangsszenarien beschäftigen kann. Ich stelle daher häufig bei mir selber fest, dass ich in so ein Verdrängen hineingerate und dann versuche, nicht daran zu denken, mich nicht damit auseinanderzusetzen, obwohl ich weiß, wie dringlich es ist und wie viel mehr ich auch selber noch verändern und tun müsste. Ich glaube, es ist ein ganz zentraler Punkt bei allen Bestrebungen, die wir angehen, um diese Krise vielleicht doch noch abzuwenden, nicht zu unterschätzen, dass Menschen auch in ihrem Alltag irgendwie gut weiterleben sollen, dürfen und müssen.

Mir macht Angst, dass ich das Gefühl habe, dass wir manchmal mit unserer Angst vor der Klimakatastrophe und den Problemen auf dieser Welt, völlig falsch umgehen. Wir tun so, als wäre die Angst, vielleicht auch die Wut, die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit dabei etwas Falsches, etwas das schlecht ist. Das stimmt nicht, negative Gefühle haben in so einem Moment einen Wert, weil sie uns anspornen, etwas zu verändern, Motivation in uns auslösen, unseren Fokus scharf stellen und uns dazu treiben, Dinge anzugehen. Die Angst an sich ist in dem Moment eine richtige und ganz natürliche Reaktion und die Frage ist, wie wir damit umgehen. Können wir sie in etwas Konstruktives umwandeln oder verlieren wir uns in irgendeiner Panik? Oder, was ich an vielen Stellen beobachte und für fast noch viel schlimmer halte, gehen wir in so einen Freeze-Modus? In der Psychologie nennen wir diesen Zustand „Eingefroren sein“ – wie das Kaninchen, das vor der Schlange sitzt und plötzlich nichts mehr macht.

Wütend macht mich, wenn so getan wird, als könnten wir nichts verändern und wenn die Verantwortung immer nur auf Einzelpersonen geschoben wird. Ich glaube, dass genau das der Trick der größten Klimasünder auf diesem Planeten ist, so zu tun, als hätte man eh keine Chance, weil Einzelpersonen sich nicht verändern werden. Wenn wir uns als Gruppe zusammentun und versuchen, die großen Strukturen anzugehen, die ja auch den größten Hebel auf das Klima haben, besteht vermutlich eine große Chance, sehr wohl etwas zu verändern. Die Ignoranz und die Annahme, uns Einzelpersonen für dumm verkaufen zu können, die manche Konzerne an den Tag legen, die macht mich tatsächlich wütend.

Hoffnung gibt mir, zu sehen, wie viele Menschen doch aktiv werden, damit sich etwas tut. Früher dachte ich immer, das wären eher die Jungen, mittlerweile scheint es aber generationenübergreifend zu sein. Wenn ich mir etwa meine Eltern angucke, die jetzt Rentner sind, die durch die Nachbarschaft ziehen und Flyer verteilen zum Thema Klimaaufklärung, die sich eine Solaranlage aufs Dach gebaut haben und versuchen, immer mehr autark zu sein. Es scheint in dieser Hinsicht quer durch die Gesellschaft eine große Bewegung zu geben. Natürlich weiß ich, dass noch sehr viel Strecke vor uns liegt, aber mich inspirieren ganz oft einzelne Menschen, die etwas geschafft haben und wenn es nur Kleinigkeiten sind. Wir Menschen sind Geschichtenerzähler und ich glaube, wir brauchen die, die uns eine Geschichte vorleben, wie es auch anders geht. Das ist etwas, was mir Hoffnung macht, weil ich es immer wieder von kleinen bis zu großen Beispielen sehe.

Wenn ich mich in der Natur aufhalte, habe ich oft das Gefühl, das ich wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stehe. Wir leben in einer sehr hektischen und technischen Welt, und manchmal gehen wir dann mit unserem Körper so um, wie mit einem Mantel, den wir morgens ablegen, wenn wir ins Büro kommen und von dem wir genervt sind, wenn er sich dann wieder mit Rückenschmerzen oder dem Bedürfnis nach frischer Luft meldet. In dem Moment, wo man in die Natur geht, legen sich die Ebenen im Kopf wieder so ein bisschen mehr übereinander und man findet zu sich zurück. Das Spannende ist, dass ich das immer wieder fühle, wenn ich durch die Natur gehe. Vor allem, wenn ich mal so zwei Stunden im Wald wandern war. Im Deutschen fehlt uns zu diesem Gefühl, das da entsteht ein Wort, im Japanischen gibt es eins: ,Shinrin-Yoku‘. Das wohltuende Gefühl des Waldbadens. In Japan ist das auch Teil der medizinischen Versorgung, dass man sagt: ,Leute, geht in die Natur!‘ Ich versuche das selbst immer wieder umzusetzen, weil dieses Shinrin-Yoku für mich immer wieder ein sehr schönes Gefühl ist.“

© Andrea Heinsohn © Andrea Heinsohn

Esther Roling, 44 Schauspielerin, 
ist Vertreterin Nachhaltigkeit des Bundesverbands Schauspiel und Mitgründerin der Greenactorslounge

„In der Natur empfinde ich Trost, Entspannung, Verbundenheit und Zuversicht. 

Die Klimakrise treibt mich um, treibt mich an und treibt mich mitunter in den Wahnsinn. Sie ist mein ständiger Begleiter, motiviert mich, mich einzusetzen für eine bessere Zukunft meiner Kinder. Und macht mich gleichermaßen schier ohnmächtig, angesichts der geringen Handlungsmacht von Individuen gegenüber Politik, Industrie und Großkonzernen. Angst macht mir aktuell natürlich Krieg mit all seinen Gräueln. Damit einhergehend diese ja mittlerweile nicht mehr unsichtbare Verquickung von knapper werdenden Ressourcen, dem erstarken von Autokratien und aggressiven Invasionen – in Summe alles, was ich bereits 1998 im Biologieleistungskurs über Ökosysteme und Stress in Populationen gelernt habe. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass zu viele von uns ihre viel zu kostbare Zeit und Energie damit verschwenden, gegeneinander zu kämpfen. Wobei wir doch eigentlich Spaltung vermeiden und stattdessen unsere Kräfte bündeln sollten, um das Chaos zu beheben, in dem wir uns befinden.

Wütend macht es mich zum Beispiel, wenn im ARD-Deutschlandtrend „Zuwanderung und Flucht“ mit 44 Prozent auf Platz eins der wichtigsten politischen Themen steht – und auf Platz 2 mit nur 18 Prozent „Umwelt- und Klimaschutz“ folgt. Die Aufmerksamkeitsspanne von uns allen ist natürlich limitiert. Seit der Pandemie drängen sich immer wieder starke und definitiv hochrelevante und wichtige Themen in unser Bewusstsein. Nur, der Klimaschutz braucht eben auch die notwendige mediale Öffentlichkeit, damit ein starker Handlungsdruck auf Politik und Industrie erzeugt werden kann. Die Ursächlichkeiten der Klimakrise und ihre Auswirkungen sind aus meiner Sicht in der Breite der Gesellschaft immer noch zu wenig bekannt. Dies ist natürlich die Grundvoraussetzung, um ihnen entgegenwirken zu können. 

Vieles passiert oder nimmt zumindest Fahrt auf: Technologische Innovationen helfen erneuerbare Energien immer effizienter zu gewinnen oder umzuwandeln und zu nutzen. Laut Foodwatch geht die massenindustrielle Fleischproduktion zurück. Der Umstieg von der Straße und aus der Luft auf die Schiene hat sich beschleunigt. Auf den Finanzmärkten wird immer mehr Geld in erneuerbare Energien investiert. All das macht mir Hoffnung.

Als Schauspielerin freue ich mich sehr, dass ,Green Producing' auf einem guten Weg ist, gängige und gelebte Praxis in unserer Filmbranche zu werden. Auch dank der von uns mitentwickelten ,Ökologischen Standards'. Auf der Greenactorslounge im Mai 2024 werden wir uns zu all diesen Themen erneut einen Überblick verschaffen und wieder leidenschaftlich und zukunftsgerichtet diskutieren.“

 

© Franziska Spiecker / dpa / picture alliance Mojib Latif© Franziska Spiecker / dpa / picture alliance

Mojib Latif, 69, Klimaforscher und Präsident des Club of Rome Deutschland 

Was empfinden sie, wenn Sie sich in der Natur aufhalten?

Ein Glücksgefühl. Ich bewundere das Wunder der Natur, im Kleinen – wie die einzelne Blume – und im Großen – wie das Meer.

Was machen die aktuellen Entwicklungen der Klimakrise und des Artensterbens mit Ihnen?

Ich wundere mich über die Ignoranz vieler Menschen der Natur gegenüber. Jeder und jede weiß, wie wichtig eine intakte Umwelt ist.

Was macht ihnen Angst?

Dass es immer Menschen gibt, die Fakten nicht mehr akzeptieren und sich ihre eigene Wirklichkeit zimmern.

Was macht Sie wütend?

Dass Antidemokraten immer mehr Zulauf bekommen, weltweit und auch bei uns in Deutschland.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Dass wir die Lösungen für die Umweltprobleme in Händen halten. Die Klimakrise beispielsweise wäre so einfach zu meistern. Wir hätten genügend erneuerbare Energie, die Technologie sie zu nutzen und die Finanzmittel wären auch vorhanden.

© Laura Kaczmarek© Laura Kaczmarek

Elisabeth Furtwängler, 31, Musikerin („Kerfor“), gründete 2016 zusammen mit ihrer Mutter Maria Furtwängler die MaLisa Stiftung, die für eine gleichberechtigte Gesellschaft eintritt

„Ich fühle mich oft überwältigt von der Komplexität und Größe der Klimakrise. Es gibt keinen ‚easy fix‘. Ich spüre in mir oft eine ‚cognitive dissonance‘ wie sie von KlimapsychologInnen genannt wird. Das Gefühl etwas Gutes tun zu wollen, wie kein Fleisch und keinen Fisch zu essen, bewusst einzukaufen und gleichzeitig aber doch reisen zu wollen – und das nicht nur mit dem Zug. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich fliege und versuche, das zu rechtfertigen mit Kompensation oder mit dem Guten, was ich an anderen Stellen tue. 

Ich versuche in meinem privaten und beruflichen Umfeld einen positiven Einfluss auszuüben. Wie zum Beispiel mit der neuen Studie der MaLisa-Stiftung, die ich mit meiner Mutter gegründet habe. Dort geht es um die Berichterstattung zur Klimakrise und Biodiversität im Fernsehen. Aber ganz weg geht das Gefühl nicht, dass ich nicht genug mache. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen sind so gebaut, dass es extrem schwer ist, schnell zu handeln. Ich glaube, dass es nicht am fehlenden Willen der Menschen liegt, sondern an unseren Systemen. Es ist sehr schwer, den globalen CO2 Ausstoß radikal zu reduzieren.

Mich macht es wütend, wenn ich überall Plastik sehe. Ich war letzten Sommer auf Mallorca und überall am Strand sieht man Plastik. Überall auf der Welt gibt es Plastiktüten und im Supermarkt häufen sich eingepackte Tiere, die ein grausames Leben hatten. Mich macht es traurig, dass wir so weit von unserer eigenen Seele entfernt leben, dass wir es verantworten können, so etwas wie Massentierhaltung aufrechtzuerhalten und dass die Fischereiindustrie ganze Ökosysteme zerstört und Lebewesen großes Leid antut, damit wir ungestört unser Thunfisch-Carpaccio essen können. 

Mir gibt es Hoffnung zu sehen, wie viele tolle Menschen und Initiativen es gibt, die sich im kleinen und im großen Rahmen dafür einsetzen, dass sich Dinge verändern. Als ich auf einer Klimademo in Berlin war, hab ich so viele junge und ältere Menschen gesehen. Das gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein mit den Ängsten und der Trauer über den großen Verlust der Artenvielfalt und anderen Sachen. Auch enge Freunde und meine Familie machen mir Hoffnung, dann fühle ich mich oft bestärkt und motiviert weiterzumachen und nicht aufzugeben, meinen Teil dazu beizutragen, dass sich Dinge verändern. Es ist für mich das Schönste, in einem Wald zu stehen und in die Baumwipfel hochzuschauen. Den Geruch von nassem Waldboden und Moos liebe ich. Auch den Geruch von frisch gemähtem Gras und Lindenblühten im Sommer. Ich liebe es besonders, in den Bergen zu sein. Da habe ich das Gefühl, ich bin Teil von etwas unendlich Großem und Grandiosem. Das Wunder zu erleben, das diese Erde alle Lebewesen, inklusive uns Menschen, möglich macht.“

Protokolle: Lilly Denninger und Thomas Merten

Weitere Stimmen zum Thema finden Sie in der Übersicht. Diese Umfrage stammt aus unserer aktuellen Ausgabe „Wie geht es uns?“ In diesem Heft widmen wir uns angesichts der multiplen ökologischen Krisen dem Thema Gefühle. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel. Alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Wir wünschen viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

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